Notizen – (nicht nur aus der Provinz)
Kleinstädte sind ja oft bemüht sich mit Kunst zu schmücken, ohne das realstrukturelle Potenzial von Kunst wahrzunehmen. Sie haben entdeckt, dass auch Kunst zu Marketingzwecken benutzt werden kann. Verschiedenste Dinge werden angestoßen und selbst die dümmsten Ideen von anderen Städten kopiert, um aktiv zu sein. Die Künstler sollen den Leerstand in den Innenstädten und Fußgängerzonen kaschieren und sich über die plötzlichen Ausstellungsmöglichkeiten freuen. Für Organisation, Aufbau, Vernissage, Aufsicht, Werbemaßnahmen und PR muss man dann schon selbst sorgen und dies auch finanzieren. Selbst Strom- und Heizkosten können berechnet werden. Und wenn man dann etwas verkaufen sollte, kann es durchaus sein, dass man ein paar Prozente abzugeben hat. Ganz zu schweigen von einem Honorar.
Dem Künstler ist das ja alles nicht unbekannt: Redner, Catering und Musiker oder Tänzer, all die netten Nebenakteure werden entlohnt – nur der Künstler geht leer aus. Der bekommt ja seine Öffentlichkeit. Dann gibt es diese tollen Aktionen der diversen gönnerhaften Lions-, Rotary- oder ähnlichen Clubs: Eine Versteigerung zu Gunsten von Flüchtlingen oder einer sozialen Einrichtung. Der Künstler wird gebeten seine Werke zu stiften, um sie zu versteigern, damit sich der Club mit der wohltätigen Tat schmücken kann: schöne PR-Aktion.
Geht es denn nur darum ausstellen zu können; seine Sachen zu präsentieren? Nun, dass narzisstische Neigungen in Künstlerkreisen durchaus verbreitet sind, das ist bekannt. Und es wird auch gerne mal auf ein Künstlerhonorar verzichtet, um dabei zu sein. Selbstausbeutung scheint durchaus eine beliebte Methode künstlerischer Praxis zu sein.
Da gibt es Wettbewerbe von Unternehmen, die „Global Player“ sind, aber auch von öffentlichen Einrichtungen oder Vereinen und auch Künstlervereinigungen selbst, die einen Teilnehmerbeitrag verlangen (oft noch nicht mal gering), womit dann das Ganze finanziert werden soll; d. h. die Preisgelder, die Veranstaltung, der Katalog und was noch so alles dazu kommt, wird von den Künstlern selbst getragen. Und wenn man dann mal nachfragt, bekommt man höchst seltsame Antworten, ohne auch nur die geringste Spur einer Reflexion.
Ebenso gibt es tatsächlich Vorstandsmitglieder in Kunstvereinen, die explizit darauf hinweisen, dass die Ausgaben zwar hoch erscheinen, man aber immerhin keine Honorare für Künstler zahle. Ja, wer bekommt denn dann eine Entlohnung? Der Redner, die Spedition, der Veranstaltungsservice, der Grafiker, die Druckerei … allein der Ruhm, der bleibt dem Künstler – oder wenn man es anders ausdrücken will – die Bestätigung des Egos. Das mag ja dem ein oder anderen reichen, sofern er eine andere Einkommensmöglichkeit hat. Und wenn diese ein recht bequemes oder doch zumindest halbwegs sorgenfreies Leben ermöglicht, kann man ja den selbstlosen Kreativen geben. Kollegialität und Solidarität scheint zumindest nicht die vorrangige Eigenschaft von Künstlern zu sein. Ausstellungsmöglichkeiten und Wettbewerbe werden oft nicht kommuniziert, um selbst bessere Chancen zu haben. Wenn man irgendwo ausstellen kann, wo man schon immer ausstellen wollte, rückt alles in den Hintergrund. BBK-Mitglieder und auch nicht organisierte Künstler mutieren hier zu egozentrischen Einzelgängern, die auch mal die eigenen Prinzipien außer Acht lassen.
Dann gibt es noch die Veranstalter, die Ausstellungen organisieren und bei öffentlicher oder auch interner Kritik einknicken und Dinge tun, die vielleicht einem wirtschaftlichen Interesse dienen, aber nicht der Kunst. So geschehen in einer mittelgroßen Stadt in Hessen. Eine Kundin beschwerte sich bei den Verantwortlichen einer Ausstellung in den Räumen einer Bank über die „kirchenfeindlichen und pornografischen“ Werke (die das gewiss nicht waren) und drohte mit der Auflösung sämtlicher Konten. Da sie eine „gute Kundin“ war, wurden die Bilder selbstverständlich abgehängt. Das ist nun schon ein paar Jahre her, und damals erschien es mir als völlig abwegig, inakzeptabel und jenseits sämtlichen normalen freien und demokratischen Denkens. Doch heute, wo man selbst in großen Museen Bilder abhängt die nicht politisch korrekt sind, deren Urheberschaft plötzlich problematisch ist, scheint dies normal und gesellschaftlich akzeptiert zu sein. Das Skulpturen und Installationen im öffentlichen Raum zerstört oder entwendet werden, gehört zur normalen Praxis. Auch hier ist die Unterstützung von öffentlicher Seite sowie Ordnungs- und Rechtsorganen nicht besonders ausgeprägt.
Oder ein Sportverein, der in die Bundesliga aufgestiegen ist, freut sich so sehr darüber, dass dieser in Abstimmung mit dem Stadtmarketing im gesamten Stadtgebiet alles in den Vereinsfarben plakatiert, also Werbung für seinen Verein macht. Leider fehlte es hier an entsprechendem Fingerspitzengefühl. Mehrere Kunstwerke im öffentlichen Raum wurden bearbeitet, auch Zeitz war kürzlich Schauplatz vermeintlicher Verschönerungen. Eine in der Stadt sehr beliebte Skulpturengruppe bekamen T-Shirts in den Farben des Vereins und Logo aufgeklebt. Ein Brunnen wurde ebenfalls mit entsprechenden Beklebungen versehen und das Ganze auch noch PR-mäßig ausgeschlachtet. Eine öffentliche Wortmeldung nach Rücksprache mit den Künstlern – deren Einverständnis selbstverständlich nicht eingeholt wurde – fand eben sowenig zu einer fruchtbaren Diskussion, noch zu einer Entfernung der Beklebungen. Nein, die offizielle Verlautbarung war, das Stadtmarketing fände es gut, wenn die Bürger sich spielerisch mit der Kunst im öffentlichen Raum auseinandersetzen. Leider wurde dabei völlig verkannt, dass dies keine spielerische Auseinandersetzung war, sondern Werbung.
Ein mit Werbung beklebter David in Florenz scheint in diesem Zusammenhang abwegig. Aber auch hier stellt sich heutzutage die Frage, was passiert, wenn plötzlich offizieller, finanzstarker Besuch aus dem Ausland kommt, dem man eine gewisse Nacktheit nicht zumuten kann.
Das was im Kleinen passiert, gibt es auch im Großen, und es ist zu befürchten, dass ohne Diskussion und kritische Begleitung all dieser Dinge wohl in Zukunft noch ganz andere Sachen möglich sein werden, von denen man heute mit einer Selbstverständlichkeit ausgeht, dass das ja „völlig unmöglich“ sei.
Schaut man sich aber in Europa um, so können da schon Zweifel kommen.